Annette von Droste-Hülshoff wurde am 10. Januar 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster als Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff geboren. Sie zählt zu den bedeutendsten deutschen Dichterinnen.

Zu ihrer Familie unterhielt sie enge Beziehungen und sie pflegte Freundschaften, davon zahlreiche innige Frauenfreundschaften.  Frauen anderer Epochen mit zeitgeistigen Begriffen zu bedenken, kann nur schiefgehen. War Annette von Droste-Hülshoff queer? Sie selbst hätte sich sicherlich nicht so bezeichnet.

„Annette von Droste-Hülshoff (…) schuf ein äußerst subtiles Œuvre fern aller politischen Forderungen, das allerdings wesentlich ungebärdiger, feministischer, leidenschaftlicher und erotischer ist, als gemeinhin angenommen wird. Die Droste war nicht so keusch oder im Zweifelsfall heterosexuell, wie die ältere Forschung sie gerne sah. (…) An ihre Freundinnen richtete sie zahlreiche Gedichte, die im Manuskript etwa durch die Widmung als Liebesgedichte erkennbar sind, in der veröffentlichten Form jedoch unanstößig wirken. Viel Kunst verwendete die Droste darauf, das Geschlecht in ihren Liebesgedichten zu verschleiern.“
(Steidele, 2010 S. 165f)

„Ich nenne sie nicht lesbisch, denn das waren sie nicht“, sagte Biografin Angela Steidele einmal über Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens, von denen letztere, unzweifelhaft Liebhaberin mehrerer Frauen, über Jahre innige Bindungen zu Annette von Droste-Hülshoff unterhielt. 1831 pflegte Annette von Droste-Hülshoff über längere Zeit die kranke Sibylle Mertens – offenbar zu Adele Schopenhauers Ärger.

Aber was bedeutet eine Haltung oder eine Neigung oder eine Leidenschaft, die in einem Liebesbrief beschrieben werden, gegen ein einzelnes Wort?

„Sie sind mir sehr lieb, Elise, viel lieber, als Sie es wissen, und auch lieber, als ich Ihnen. Ich sage das nicht, um einen zärtlichen Widerspruch aus Ihnen herauszulocken, sondern damit Sie einen Maßstab haben, nach dem sie meine Neigung beurteilen können. Ich bin mir gewiss, dass Ihre Gedanken nicht so oft bei mir sind, als die meinigen bei Ihnen, und dass Sie mein Wohlsein nicht in dem Grade am Herzen tragen. Das soll kein Vorwurf sein, sondern ein unumwundenes Aussprechen meiner Gefühle für Sie.“
(Annette von Droste Hülshoff, Brief an Elise Rüdiger, 1841)

Das Innige gestaltete sich zu Annette von Droste-Hülshoffs Lebens- und Schaffenszeit weitaus schwieriger und weniger unschuldig als noch einige Jahrzehnte zuvor. Die Unbefangenheit, mit der Frauen enge und von der Gesellschaft tolerierte Beziehungen unterhielten, war dahingeschwunden, je moderner und emanzipierter Frauenlieben gelebt wurden. Im neunzehnten Jahrhundert fingen Frauenbeziehungen an, traditionelle heterosexuelle Standards in Frage zu stellen und wurden mit der zunehmenden Sichtbarkeit und dem steigenden Selbstbewusstsein gebildeter Frauen bedrohlicher für die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern. In der Literatur waren neue Umschreibungen gefragt, und Annette Droste-Hülshoff war Meisterin im lesbischen Subtext. Jahrhunderte vor „Buffy im Bann der Dämonen“ schuf sie den Kunstgriff der, wie Steidele schreibt, „Lüsternen Blutsaugerinnen“, um sexuelles Begehren zwischen Frauen anzudeuten:

„ Nun stehen die Beiden, Auge in Aug‘,
Und bohren sich an mit Vampyres Gewalt.
Das gleiche Häubchen decket die Locken,
Das gleiche Linnen, wie Schneees Flocken,
Gleich ordnungslos um die Glieder wallt.“
(aus: Annette von Droste-Hülshoff: Das Fräulein von Rodenschild, Zeile 87ff)

Damit setzte sie Standards. Bis heute können Frauen liebende Außerirdische, Untote, Vampirinnen, Mutantinnen ungestraft ihr Unwesen selbst an Orten treiben, an denen echte Lesben aus Fleisch und Blut arge Akzeptanz-Schwierigkeiten hätten, kürzlich eindrucksvoll dokumentiert in Delilah Devlins 2011er Neuerscheinung „Girls Who Bite“. Und wer hätte schon gedacht, dass dieser eckzahnige lesbische Freiraum von jener berühmten deutschen Dichterin erkämpft wurde, die Jahrzehnte lang den 20-Mark-Schein zierte?

Annette von Droste-Hülshoff starb am 24. Mai 1848 auf der Burg Meersburg in Meersburg.

Einen ersten Überblick zum Leben Annette von Droste-Hülshoffs in 3 Minuten bietet das folgende Video:

Links und Quellen:

  • Annette von Droste-Hülshoff: Das Fräulein von Rodenschild, zitiert nach: Freiburger Anthologie, freiburger-anthologie.ub.uni-freiburg.de (Download 9.1.2012)
  • Annette von Droste-Hülshoff in Briefen, nach100jahren.de
    Annette von Droste Hülshoff „Meine mühsam erkämpfte Freiheit“, 1841, Briefe an Elise Rüdiger, Rüschhaus, zitiert nach nach100jahren.de (Download 9.1.2012)
  • Ingeborg Boxhammer: Chronik lesbischer Frauen und Aktivitäten in Bonn und Umgebung [online]. Bonn 2005/2008. Available from: Online-Projekt Lesbengeschichte. Boxhammer, Ingeborg/Leidinger, Christiane, lesbengeschichte.de (pdf Download 9.1.2012)
  • Joey Horsley: Annette von Droste-Hülshoff, Kurzbiografie bei fembio.org (Download 9.1.2012)
  • Angela Steidele: Geschichte einer Liebe. Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens, Berlin: Insel Verlag, 2010