Wer gedacht hat, dass nach When the Music’s Over nicht mehr viel kommen könnte, lag zwar irgendwie richtig, denn der Roman war eine echte Offenbarung, aber andererseits auch wieder gründlich daneben – zum Glück. Denn mit Straßenratte Donovan lässt Myra Çakan eine Ermittlerin von der Leine, mit der man sich besser nicht anlegen sollte. Aufgewachsen im tiefsten Cyberdreck, hat Donovan die Wahl: Mitmischen in der Szene, draufgehen oder – zu den Bullen gehen. Sie sucht sich das Härteste aus, die City Force, die immer dann gerufen wird, wenn es für die Normalen zu brenzlig wird.
Die Ausbildung schaffen nur die besten; Donovan gehört dazu. Ehrensache, dass es ihr gelingt, einer der besten Ermittlerinnen als Partnerin zugeteilt zu werden: DelMonico, von der erzählt wird, dass sie einen Partner nach dem anderen verschleißt. Gleich in einem der ersten Fälle verliert Donovan DelMonico in einer Operation, aus der sie selbst nur mit knapper Not wieder herauskommt. Jetzt ist sie auf sich allein gestellt: gegen ihr Hauptquartier, dass sie am liebsten eine Weile aus dem Verkehr ziehen würde, gegen die organisierte Kriminalität und ohne die geringste Ahnung, wem sie noch trauen kann …
Der Blues, die Hoffnungslosigkeit hat Methode im Cyberpunk, er bildet den Bodensatz, den Dreck, aus dem sich unsere Heldinnen und Helden an die Oberfläche kämpfen müssen – gelegentliche Misserfolge vorprogrammiert. Das ist bei den Altmeistern Bruce Sterling und William Gibson nicht anders als hier bei Myra Çakan. Die Wertesysteme drehen völlig hohl, Donovan vertraut den falschen Leuten – oder vielleicht auch nicht. Reich und arm liegen Welten auseinander in Downtown, gut und böse nicht ganz so weit und irgendwo in der Mitte steckt unsere Heldin. Was soll man dazu noch sagen – lesen!
Myra Çakan: Downtown Blues; Argument Verlag; 256 Seiten, DM 19,90