Die Special Olympics 2018 in Kiel sind an ihrem vierten Tag angelangt – Zeit, einmal zu schauen, wie es den Menschen geht, die in Olympic Town mit ihren Ständen präsent sind.
An der Kieler Förde-Promenade „Kiellinie“ brummt es schon am späten Vormittag: Stolze Athletinnen und Athleten zeigen ihre Medaillen, von der großen Bühne schallt laute Musik der Band „Astrids Enkel“, es gibt Köstlichkeiten an jeder Ecke und vom Beachvolleyball-Feld ist Applaus zu hören.
Eine tolle, familiäre Stimmung macht Jens Kißler von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) aus. Die BZGA stellt in Olympic Town ihre Aktion „Alkoholfrei Sport genießen“ vor, die sich an Sportvereine richtet. Da „Rote Karte“, „Diver“ und „Mango Mamba“ so lecker schmecken wie sie aussehen, geht das nicht ohne Hilfe: Antonia Stein ist als Cocktail-Mischerin beim BZGA-Stand eingeteilt; ein guter Standort für die Schülerin, die im Sommer eine Ausbildung in der Kaffeerösterei beginnen will. Die Menschen, die Begegnungen sind für Kißler das beste an der Special Olympics Woche, und seine Kollegin Lucienne Reu kann den vielen großartigen Momenten noch ein besonderes Highlight hinzufügen: Ihr Standhelfer Tim hat sie am Vorabend mit einem Handkuss verabschiedet, das war für sie der bisher schönste Moment der Spiele.
„Jeder möchte einfach Spaß haben“
Die Special Olympics sind für Kiel eine „super Aktion“, meint Julius Rabe von der Fischbar – und umgekehrt. Von dem Stand an der Flaniermeile „Kiellinie“ aus lassen sich mit Feldstecher und mit bloßem Auge Segelwettbewerbe bestens verfolgen, nur unterbrochen von den ganz großen Pötten, die aus der fernen Welt Kiels Kreuzfahrtterminals anlaufen. Die Location und die Stimmung machen für ihn das Besondere an der Veranstaltung aus: „Hier steht nicht das große Wettkampfdenken im Vordergrund, sondern das Miteinander. Jeder möchte einfach Spaß haben.“ Es ist die erste Großveranstaltung mit Menschen mit geistiger Behinderung für den Smutje, auch wenn die Fischbar eine Reihe von Projekten unterstützt, z.B. von der Stiftung Mensch.
Johanniter Hans Albert Horn ist mit seiner Kollegin Lisa Woll vor Ort, die von der Bundeswehr für den Einsatz „abkommandiert“ wurde. Das Einsatzfahrzeug steht in einer der kleinen Terrassen, die in die Förde ragen; ein perfekter Standort, um an Land und auf dem Wasser jede Bewegung zu registrieren und zu kommentieren. Sein Highlight ist das Wetter: „Sonst hat man zu dieser Jahreszeit vor der Kieler Woche öfter mal Regen horizontal mit den passenden Windgeschwindigkeiten“. Horn hat ein Anliegen: Wir sollten mehr miteinander reden. Aufregen können ihn Intoleranz und Rücksichtslosigkeit; Menschen mit Behinderung sollen genauso sichtbar und präsent sein wie alle anderen. Ihr bisher schwierigster Einsatz bei den Special Olympics: „Wir mussten abends in eigener Sache ein Mundwinkelmassage durchführen, um das Lächeln aus dem Gesicht zu kriegen“, sagt Horn. Kieler Humor und ein dickes Lob für eine tolle Veranstaltung mit Spitzen-Stimmung.
„Es ist schön zu sehen, wie die Athleten sich alle freuen“, sagt Annika Hoffmeister. Die Kieler Geschäftsfrau hat schon vor gut einem Jahr entschieden, ihre handgemachten „Kielfalt“-Produkte bei den Special Olympics anzubieten. Die Hilfsbereitschaft findet sie überwältigend: „Es ist das erste Mal, dass wir mit unseren Produkten irgendwo hinkommen und alle springen sofort um uns zu helfen, das Auto auszuräumen. Sonst gibt es mehr Konkurrenzdenken; hier bei den Special Olympics ist es ein herzliches Miteinander.“ Ihr Highlight bei den diesjährigen Spielen: Die Acts auf der großen Bühne.
Konstanze Gerhard vom Kieler Präventionsbüro PETZE treffe ich an der „Fischbar“. Für sie sind Sichtbarkeit und Präsenz der Menschen mit Behinderung das Beste an den Special Olympics: „Die ganze Stadt ist voller Athletinnen und Athleten. Man sieht die Vielfalt und ich genieße das Gefühl, dass es hier endlich normal zugeht.“ Special Olympics hat die Einstellung der Medien-Fachfrau verändert, die für die PETZE das Präventionsprojekt „ECHT MEIN RECHT!“ begleitet (Zum Beitrag Echt mein Recht): „Mein Highlight war die Ausstellungseröffnung am Anfang der Special Olympics. Ich habe sehr viel über die Sexualität von Menschen mit geistiger Behinderung gelernt.“
Selbständig und selbstbestimmt
Kai Lehnert betreut den Stand des Diakonischen Werks. Er selbst engagiert sich als Werkstattsprecher. „Für mich ist Special Olympics ein kleiner Teil der Teilhabe am öffentlichen Leben. Ich möchte, dass Menschen mit Behinderung viel mehr wahrgenommen werden. Ich wünsche mir, dass Barrieren weiter abgebaut werden. Wir Menschen mit Behinderung wollen so selbstständig und so selbstbestimmt wie möglich leben.“
Und ein persönliches Highlight: Als der Seemann der Reederei „SFK“ es sich nicht nehmen ließ, alle Special Olympics Athletinnen und Athleten beim Ausstieg vom Fördedampfer mit Handschlag zu verabschieden. Das ist Kiel: Ein bisschen rau und sehr herzlich.
Text: Agnes Witte