Alice Nkom, Kamerun, Aktivistin für Menschenrechte

von | 9. Februar 2014 | Gesellschaften | 0 Kommentare

Die Kameruner Menschenrechtsaktivistin Alice Nkom wird im März 2014 mit dem Menschenrechtspreis der deutschen Sektion von  Amnesty International ausgezeichnet.

Alice Nkom ist Juristin und seit gut einem Jahrzehnt auch Sprachrohr für die Rechte von Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Kamerun. In einem Land, das einerseits die Menschenrechte in seine Verfassung aufgenommen hat, auf der anderen Seite  Homosexualität aber seit 1972 illegalisiert, ist das schwierig. Zwischen 6 Monaten und 5 Jahren liegt das Strafmaß.

Barrister-Alice-Nkom_WikipediaInternational ist Alice Nkom auf zahlreichen Menschenrechtskonferenzen aufgetreten. In Kamerun selbst vertritt sie als Anwältin Menschen, die wegen Homosexualität angeklagt sind – Männer wie Frauen. So wurden im Februar 2012 10 Frauen in Kamerun angeklagt,  lesbisch zu sein – wieder einmal ohne Beweis. Ein Beweis war auch nicht nötig. In den letzten 10 Jahren vertrat sie Hunderte Fälle im Kontext von Homosexualität.

Zur LGBT-Menschenrechtsarbeit kam Alice Nkom – wie das oft ist – durch Zufall. Sie bemerkte, dass vier französische Touristen, mit denen sie ins Gespräch gekommen war, zwei Paare waren und warnte sie vor den Anti-Homosexualitäts-Gesetzen in Kamerum. Der Schock in den Gesichtern berührte sie tief. Sie entschloss sich, den Kampf gegen diese Gesetze aufzunehmen. 2005 gründete sie eine Gesellschaft für die Verteidigung der Homosexualität, die „Association pour la défense de l’homosexualité (ADEFHO)“.

Seit Beginn ihres Engagements ist Alice Nkom selbst von Verfolgung bedroht.

„Macht euch keine Sorgen um mich. Ich nehme an, dass ich in den nächsten Tagen verhaftet werde, aber das wird mich nicht schlaflos machen, und in keinem Fall wird es mich von dem abbringen, was wir zusammen begonnen haben. Solche Drohungen zeigen nur, dass unser Kampf weitergehen muss“, sagte Alice Nkom 2011, nachdem Regierungsvertreter ihr mit Verhaftung gedroht hatten. [ref]“Do not worry for me. I believe I will be arrested in the coming days, but I will not lose sleep over this or, especially, abandon what we have begun together.”, zitiert nach news.cameroon-today.com[/ref]

Alice Nkom war die erste Frau in Kamerun, die Anwältin wurde. Das war 1969, sie war 24 Jahre alt. Seitdem schreibt sie die Geschichte der Benachteiligten und Diskriminierten in Kamerum mit. Seit 45 Jahren ist Alice Nkom eine führende Menschenrechtsaktivistin, Kämpferin für die Rechte von Frauen und Anwältin. Sie engagiert sich in der Nicht-Regierungs-Organisation Lady Justice. [ref]Justizia[/ref]

Eine Stärke von Alice Nkom ist der klare Blick auf Diskriminierung, auch über Landesgrenzen hinweg.

„Niemand soll mir erzählen, dass der Respekt vor sexuellen Minderheiten unafrikanisch ist.“[ref]Orig: „Qu’on ne vienne pas me dire que le respect des minorités sexuelles n’est pas africain“, YouTube [/ref]

sagt sie und tritt damit der populären Behauptung entgegen, Homosexualität sei ein Import des westlichen Imperialismus.

Wie so oft, tritt schwulen Männern der Hass offensiver gegenüber, sie werden auf offener Straße angegriffen, bedroht, verprügelt, sie werden inhaftiert, verurteilt, gefoltert.  Lesben haben oft massiv mit der gesellschaftlichen Ausgrenzung zu kämpfen. Alice Nkom kennt die Unterschiede in der Verfolgung, und sie weiß um die Notwendigkeit, Frauen gezielt und individuell zu unterstützen, als Anwältin und darüber hinaus.  Zwei Frauen, die von Alice Nkom Hilfe erhielten, sind in filmischen Portraits dargestellt.

Esther, eine lesbische Frau in Kamerun, wird von einer Geliebten geoutet. Um den Gerüchten etwas entgegenzusetzen, bekommt sie ein Kind, aber auch das hilft nicht. Sie muss mehrfach umziehen, weil sie der Hexerei und anderer Übel bezichtigt wird, auch ihre Familie verfolgt sie.  Ihre Mutter wird massiv unter Druck gesetzt, die Familie verlor ihre gute Reputation. Schließlich flüchtet Esther in die Kamerunische Hauptstadt Yaoundé und wird dort von Alice Nkom mit Geld und konkreter Lebenshilfe unterstützt. Esther träumt davon, sich sicher zu fühlen, sie träumt von einem eigenen Dorf und davon, mit Menschen zusammenzuleben, die sind wie sie:

Pascaline wurde im Alter von 14 Jahren vergewaltigt. Sie wird schwanger, bekommt eine Tochter und wenig später eine zweite. Durch die Liebe zu einer Frau wird ihr klar, dass sie lesbisch ist. Als ihre Eltern es herausfinden, werfen sie sie aus dem Haus. Seitdem lebt sie mal hier, mal da, fühlt sich heimatlos. 2011 wird sie inhaftiert unter der Anklage, die Partnerin von Esther zu sein. Die beiden leugnen alles Nach Prügeln und Missbrauch gesteht Esther schließlich, dass die beiden ein Paar sind.

Pascalines Leben ändert sich, als sie Alice Nkom begegnet. Sie fühlt sich wie wiedergeboren, das erste Mal gesellschaftlich akzeptiert.“Sie gab mir Hoffung“, sagt sie. Alice Nkom übernimmt den Fall und rät den Frauen, sich „nicht schuldig“ zu bekennen und nur im Beisein ihres Rechtsbeistands zu sprechen.

Auch Pascaline leidet massiv unter der Ausgrenzung durch Familie und Gesellschaft, sie fühlt sich heimatlos. Ihr Traum ist, Kamerum zu verlassen, wo sie keine Chance hat, akzeptiert zu werden. Sie träumt von einem Leben, in dem andere wissen dürfen, was sie ist.

Im März 2014 wird Alice Nkom mit dem Amnesty-Menschenrechtspreis ausgezeichnet, der von der deutschen Amnesty-Sektion verliehen wird. Die Rechtsanwältin versteht die Auszeichnung als Legitimation für ihren Kampf:

«In Kamerun sind viele der Meinung, ein Engagement für Homosexuelle sei nicht gleichbedeutend mit einem Engagement für die Menschenrechte. Der Preis wird diesen Zusammenhang in Erinnerung zu rufen». [ref]“In Cameroon, many people think that working on behalf of gays is not working for human rights. This award will enable me to remind them that it is.“, zitiert nach: eda.admin.ch[/ref]

Links und Quellen:

  • L-talk Beiträge zu Lesben in UgandaSüdafrika und Burkina Faso
  • Amnesty International Deutschland, amnesty.de
  • Schweizerische Eidgenossenschaft: Alice Nkom oder der Kampf gegen die Unwissenheit, Portrait, eda.admin.ch, 10.12.2013 (Download 2.2.2014)
  • Bildrechte Titelbild: Bildrechte Titelbild: Toby Binder © Amnesty International
  • Bildrechte Porträt:  © ADEFHO
  • Beitragsbild: By Sepoub (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
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